Mit großem Interesse habe ich eure Diskussion verfolgt. Besonders zustimmen möchte ich den  Beiträgen von Angela Bankert und Katharina Sass.

Allen Zweiflern, dass der Gesamtschule – der einen Schule für Alle – im 50. Jahr die Luft ausgehe und die Lebendigkeit fehle, zeigt das Beispiel Köln, eins von vielen, dass gute Gesamtschularbeit zu immer mehr Begehrlichkeit führt.

Gerade haben wir eine Gesamtschulinitiative für eine Inklusive Gesamtschule in Dellbrück erfolgreich abgeschlossen.

Und gerade jetzt am 8.1. hat sich in Köln-Rondorf eine Bürgerinitiative für eine Gesamtschule gebildet, weil der Rat für diesen neuen Stadtteil  ein Gymnasium beschlossen hat.

Von wegen totes Pferd! Letztes Jahr mussten 960 Kinder wegen  fehlender Plätze von Kölner Gesamtschulen abgelehnt werden – wie viele werden es dieses Jahr sein?

Traurig ist wie überall die Rolle der SPD, die viele Jahre die Ratsmehrheit in Köln stellte. Katharina Sass hat die Unentschlossenheit der SPD als These beschrieben, ich habe sie seit den ersten Gesamtschuljahren hautnah erlebt. Mein „Studienobjekt“ ist die Großstadt Köln, viele Jahre SPD-regiert.

Schon 1967 beschloss  die SPD-Ratsmehrheit  die Errichtung von vier 12-zügigen Gesamtschulen und gründete  vier Gymnasien als Vorstufen: Höhenhaus und Holweide, Chorweiler und Zollstock. Nach der Errichtung der Gebäude wurden 1975/6 die  vier Gesamtschulen errichtet und die Gymnasien liefen aus. So lief es in den 60ger Jahren – doch dann brach die Begeisterung ein.

Wir mussten die Gesamtschulen gegen die Diffamierungen der CDU verteidigen (die schon benannten Vergleichsuntersuchungen wurden kräftig missinterpretiert) und der SPD wurden die Gesamtschulen  zunehmend  gleichgültig und sogar lästig.  Es gab noch zwei Gründungen von Gesamtschulen in Kalk und Bocklemünd  durch das Drängen von Bürgerinitiativen, dann geschah 28 Jahre nichts, obwohl jedes Jahr 600 bis 700 Anmeldungen abgewiesen werden mussten.

Erst 2005 erzwang wieder eine Elterninitiative eine Gesamtschule in Nippes. 2015 gelang es der Initiative Dellbrück, gegen den Widerstand der Verwaltung und führender Genossen eine Gesamtschule durchzusetzen. 3 weitere Gesamtschulen folgten. Gleichzeitig stiegen die Anmeldezahlen. 2017 wollten 31% des Jahrgangs eine Gesamtschule besuchen, 2018 waren es schon 36%. Die vorhandenen Plätze stiegen von 19% (2017) auf 24%, aber wieder musste ein Drittel der Anmeldungen abgewiesen werden. . Fast 1000 Kinder fanden keinen Platz an einer Gesamtschule.

Sieht so ein totes Pferd aus?

Lasst uns wieder über Gesamtschulen reden und streiten, auch laut und öffentlich. Nach 100 Jahren Grundschule, 50 Jahren Gesamtschule und 10 Jahren UN-Behindertenrechtskonvention ist ein großer Schritt in Richtung einer Schule für Alle angesagt. Die SPD sucht eine neue Herausforderung für ihr Programm …..?

Wozu brauchen wir noch Gymnasien? Die Gesamtschule kann dasselbe und sie kann mehr, für alle Kinder! Gesamtschulen führen ebenso zum Abitur.  Aber sie leisten mehr:  Alle Abschlüsse und oft auch das Abitur für Kinder, die keine Schulformempfehlung Gymnasium hatten. Förderung und gute Abschlüsse für geflüchtete Kinder, für Kinder aus armen Familien,  Kinder mit Behinderungen, Kinder mit Migrationshintergrund. Ohne  Sitzenbleiben, ohne Abschulen.

Was ist der Mehrwert der Gymnasien? Sie lassen Schüler*innen sitzen, schulen Kinder ab, weil sie „nicht geeignet sind“.

Was ist die gesellschaftliche Funktion der Gymnasien?  Chancenungleichheit erhalten, die soziale Trennung verstärken (vgl. PISA 2000), die Abhängigkeit des Bildungserfolgs von der Herkunft  zementieren?

Brauchen wir wirklich immer noch Gymnasien? Müssen wir nicht auch diese Fragen stellen?

Anne Ratzki

3 Gedanken zu “Anne Ratzki zur Gesamtschule”

  • Merkwürdig, dass Anne Ratzki die erste Gesamtschulgründung in Köln nicht erwähnt. 1971 startete die Gesamtschule Rodenkirchen ihren Betrieb.

    • 1971 gehörte Rodenkirchen noch nicht zu Köln, sondern war eine eigenständige Gemeinde, die damals ihre eigene Gesamtschule eröffnete . Am 1. Januar 1975 wurde Rodenkirchen durch das Köln-Gesetz nach Köln eingemeindet.

      Es war natürlich prima, dass Köln damit noch eine weitere Gesamtschule erbte!

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