Von Jürgen Helmchen

Die in der letzten Zeit vollzogenen Maßnahmen, den Lehrermangel zu beheben, deuten auf eine tiefe Krise der Bildung der Lehrerinnen und Lehrer sowie der Lehrerarbeit hin. Leichtsinnig haben sich Politik und akademische Institutionen daran gewöhnt, unter Befolgung der output-Steuerung als gesellschaftlichem Funktionsmodell Lehrerarbeit und Lehrerbildung einem eindimensionalen Verständnis von „Kompetenzvermittlung“ zu unterwerfen. In der Folge der wiederholten PISA-Befunde wurde zudem die Lehrerbildung nur noch als nachgeordnete Konsequenz der institutionell und politisch formulierten Bedürfnisse von Schuladministration und Schul- bzw. Unterrichtsreform begriffen und organisiert.

Die Lehrerbildung allerdings bloß als funktional abhängig von an die Schule gerichteten Anforderungen zu betrachten, ist aber nicht nur falsch, sondern ein solches Modell entmündigt durch ein verkürztes Verständnis von Profession und Professionalisierung eine ganze Berufsgruppe sowohl in ihrer Bildung und Ausbildung als auch in ihrer Praxis. Die Unterordnung der Lehrerbildung unter die Prärogative der Schulprobleme führt parallel zur Verschulung von jenen Institutionen, in denen Lehrerinnen und Lehrer gebildet werden sollen; sie bedeutet das Gegenteil von Akademisierung der Lehrerbildung – worauf die akademischen Institutionen ihrerseits mit der Ausgrenzung der Lehrerbildung reagieren. Solche Nachordnung und Verschulung der Lehrerbildung und ihrer Institutionen leisten wiederum gegenwärtig einer verantwortungslosen „Rekrutierungspolitik“ Vorschub, in der durch faktisches „training on the job“ von fach- und schulfremden Lückenbüßern („Quereinsteigern“) die unterversorgten Schulen kurzfristig aufgefüllt werden sollen. Diese Politik entprofessionalisiert de facto die ohnehin mittlerweile fachlich und pädagogisch schmalspurig vollzogene Lehrerausbildung noch wesentlich weiter. Die professionelle Tätigkeit von Lehrerinnen und Lehrern wird so in den Institutionen und in der gesellschaftlichen Öffentlichkeit weiter entwertet.

Lehrerbildung muss nach Jahren der Einzwängung in die Anforderungen eines verengten Professions- und Professionalisierungs-Verständnisses und der Einschließung in die Verfahrensweisen einer bloß noch auf berufliche Verwendbarkeit gerichteten akademischen Ausbildung neu durchdacht werden. Dabei müssen die gesellschaftliche Funktion und das Leitbild des Lehrers in einer demokratischen und auf Öffentlichkeit der Erziehung und Bildung gerichteten Weise neu formuliert werden.

Diese Erneuerung der Perspektiven auf den und der Achtung gegenüber dem Lehrerberuf ist eine politische und gesellschaftliche Aufgabe, die nicht den Trends von Neuer Steuerung und einer verkürzten Autonomievorstellung unterworfen werden kann. Bloß funktionale output-Orientierung ohne politische Bewertung und wissenschaftliche Analyse des „outputs“ und ohne dass die Personen, die mit der Bildung der nachfolgenden Generation betraut werden, aus wissenschaftlicher Bildung heraus eine intellektuelle und praktische Autonomie gegenüber den fachlichen, gesellschaftlichen, historischen und politischen Grundlagen ihrer Tätigkeit erlangt hätten, ist Kindern und Jugendlichen gegenüber, denen Lehrpersonen Selbstbestimmung und Bewusstsein über die gesellschaftlichen Perspektiven und ihre Möglichkeiten vermitteln sollen, die Ausübung der Lehrerfunktion nur eine zynische Fesselung in bestehenden sozialen, ökonomischen und psychisch-individuellen Abhängigkeiten. Stehen sie dergestalt entprofessionalisiertem Lehrpersonal gegenüber, kann Schule nur noch als Machtausübung herrschaftlicher Instanzen wahrgenommen werden, der gegenüber die vielen „Welten“ des vermeintlich freien „Nicht-Schulischen“ ihnen als die Areale ihres „wirklichen“ Lebens erscheinen.

Um diese Schulmisere zu verändern, muss Lehrerbildung nicht nur mehr sein als die Ausbildung von „Beamten“ oder „Agenten“ für die Schulreformen und für deren jeweils aktuell definierte Anforderungen. Sie muss künftige Lehrerinnen und Lehrer befähigen, wissenschaftlich zu arbeiten, die fachlichen und pädagogischen Prozesse zu analysieren und zu gestalten, die kommunikativen, sozialen und kognitiven Prozesse sachlich und pädagogisch begründet geplant und perspektivenreich für jeden in Schule und Bildungsinstitutionen in Gang zu setzen.

Die RLS widmet sich deshalb in einer kommenden Tagung dem Problem der Lehrerbildung. Sie stellt die Frage nach der Figur des Lehrers in der Gesellschaft, nach den erforderlichen Dimensionen seiner Bildung zu jenen Fähigkeiten, die Lehrerinnen und Lehrer an der Gestaltung der Zukunft der gesamten Gesellschaft – und nicht nur eines bestimmten künftigen Arbeitslebens – entscheidend mitwirken lassen und wo höchste Verantwortungsbereitschaft gefragt ist: nämlich für die Bildung und Erziehung der jungen Generation.

Die Zielgruppen der Tagung sind v.a.

  • Personen aus allen Qualifizierungsbereichen der LehrerInnenbildung: LehrerbildnerInnen der „ersten“ und der der „zweiten“ Phase,
  • Qualifizierungspersonal im Rahmen von Sonderprogrammen,
  • Personen aus Administration und Planung sowie
  • Studierende in Studiengängen, die zur Aufnahme einer Tätigkeit als Lehrer oder Lehrerin befähigen.

Angesichts der oben angesprochenen Problemkreise werden als vorläufiges Programm folgende Themenkreise vorgeschlagen (die genaue Benennung bleibt der Diskussion und der Absprache mit den ins Auge gefassten Mitwirkenden vorbehalten. Teilweise überschneiden sich Themenbereiche – solche Überschneidungen können in den Verhandlungen mit Mitwirkenden über Beiträge minimiert werden).

 

 

 

Ein Gedanke zu “Begründungstext und Planungsentwurf für eine Tagung der RLS zur LehrerInnenbildung von Jürgen Helmchen”

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