Der derzeit virulente Lehrermangel in bestimmten Bereichen setzt eine Reihe von Lehrermangelsituationen fort, die seit dem 19. Jahrhundert zu beobachten sind. Die Ursachen hierfür sind komplexer Natur, haben aber stets, wie auch jetzt wieder, Maßnahmen von politischer Seite ausgelöst, die nur als Reaktion auf die jeweilige aktuelle Situation verstanden werden können. Symptomatisch hierfür ist etwa die derzeitige NRW-Kampagne zur Lehrerwerbung, die sogar von der Bild-Zeitung als Kampagne mit „Dumm-Deutsch-Plakaten“ bezeichnet wird.

Eine solche Politik des fortwährenden Ausgleichens von Mangelsituationen widerspricht nicht nur einer nachhaltigen (und das heißt: langfristig vorausschauenden) und verstetigten Förderung des Berufsnachwuchses, der – die Kehrseite der Mangelphasen – in den immer wieder folgenden Überfüllungsphasen von der Berufswahl abgeschreckt wird, sondern auch der Forderung nach und dem Bekenntnis zu einer gesellschaftlich und pädagogisch begründeten Professionalität des Lehrerberufs. Eine outputgesteuerte und – bestenfalls – fachkenntnisbasierte Rekrutierung von Personen, die dann mit pädagogischen Aufgaben betraut werden, kann den Bildungsanspruch möglicherweise formal erfüllen, indem ein vorgegebener Fächerkanon mit den ebenso vorgegebenen Stundenzahlen abgearbeitet wird und das politisch unerwünschte Phänomen des „Unterrichtsausfalls“ vermieden wird. Eine solche Politik verrät aber ein eindimensionales Verständnis von „Kompetenzvermittlung“; in der Konsequenz liegt ein Verständnis von Lehrerarbeit, das Lehrerinnen und Lehrer als der Schuladministration nachgeordnetes vollziehendes Erfüllungspersonal begreift.

In diesem Sinne kann, im günstigen Falle, von Lehrerausbildung dann die Rede sein, wenn die für einen im Sinne der Messbarkeit (PISA) zu erreichenden Ziele anvisiert werden und den handelnden Lehrenden die dafür erforderlichen Techniken (Methodik) an die Hand gegeben werden. Dies mag in Kursen, Vorbereitungsseminaren, begleitendem „Training on the job“ erfolgen, und so geschieht es ja auch. Lehrerbildung im Sinne eines Leitbildes, das auf die öffentliche und gesellschaftliche Funktion der Lehrerprofession gerichtet ist, erfordert aber gerade den Widerstand gegen solche Verengung und Einzwängung in Verwendbarkeitskategorien.

Unvermeidlich in diesem Zusammenhang ist die Überprüfung der Rolle der Schule in der Gesellschaft; das weitgehende Scheitern der Inklusion, ebenso wie die fortdauernde und das Gleichheitsgebot verletzende Vielfachgliederung des Schulwesens, legen Zeugnis ab von einer Instrumentalisierung der Schule als Herrschaftsinstrument. Ein Rekurs der hier arbeitenden Lehrerinnen und Lehrer auf Grund- und Menschenrechte ist deswegen geboten, wird aber nicht nur nicht gelernt, sondern durch frühzeitige und undiskutierte Orientierung auf eben dieses bestehende Schulsystem vermieden und unterlaufen. (Bildungs)Politik darf sich nicht auf die Beseitigung öffentlich wahrgenommener Mängel beschränken, sondern muss im Sinne einer demokratischen und diskursfähigen Gesellschaft gestaltend agieren. Bildungseinrichtungen, vor allem Schulen, sind die wichtigsten Institutionen, die diesem Auftrag nachzukommen haben.

Weil, nach allem, die Rolle der in ihnen arbeitenden Menschen  nicht auf ihre – freilich unverzichtbaren – Fachkenntnisse und deren „Vermittlung“ verkürzt werden dürfen, ist darüber nachzudenken, welche Möglichkeiten der fundamental „neu gedachten“ Lehrerbildung gegeben sind. Primärzielgruppen sind alle Personen, die in irgendeiner Weise mit Rekrutierung, Auswahl, Qualifizierung, Ausbildung, Fortbildung, Weiterbildung von Lehrerinnen und Lehrern befasst sind, Sekundärgruppen sind diejenigen, die in einem weiteren Sinne (politisch, journalistisch, bildungstheoretisch, ökonomisch, rechtlich)  im angesprochenen Feld tätig sind.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert