Erziehung zur Kriegstüchtigkeit
Thomas Gesterkamp beschäftigte sich mit der zunehmenden Militarisierung des Bildungssystems und dem wachsenden Einfluss der Bundeswehr auf Schulen in Deutschland. Im Fokus stand die Frage, ob Schulen Jugendliche eher auf „Kriegstüchtigkeit“ oder auf demokratische Handlungsfähigkeit vorbereiten sollten. Vor dem Hintergrund des Ukraine-Kriegs, der sogenannten „Zeitenwende“ und der Personalprobleme der Bundeswehr wurde kritisch diskutiert, wie weit die militärische Präsenz in Schulen gehen darf.
Ein zentraler Kritikpunkt ist die verstärkte Werbung der Bundeswehr an Schulen. Im Jahr 2023 besuchten Soldaten über 5.500 Schulen und erreichten dabei rund 120.000 Schüler und Schülerinnen. Die Bundeswehr argumentiert, dass sie lediglich sachliche Informationen über Karrieremöglichkeiten und ihre Aufgaben vermittelt. Gesterkamp und einige Diskussionsteilnehmerinnen und -teilnehmer sehen darin aber die Absicht, SchülerInnen für den Dienst an der Waffe zu gewinnen und die jungen Menschen einseitig zu beeinflussen. Diese Kritik richtet sich insbesondere an die rhetorisch geschulten Jugendoffiziere der Bundeswehr, die oft ohne eine Gegenstimme von Pazifistinnen oder Kriegsdienstverweigerern auftreten.
Dadurch, so die Kritiker, wird der Beutelsbacher Konsens verletzt, der die Möglichkeit zur kontroversen Diskussion in der politischen Bildung vorsieht.
Ein besonders krasses Beispiel ist das neue bayerische Gesetz zur Förderung der Bundeswehr, das im August 2024 in Kraft trat. Es verpflichtet Schulen, Jugendoffiziere einzuladen, ohne eine gegensätzliche Perspektive sicherzustellen. Kritiker vergleichen dies mit dem früheren Wehrkundeunterricht in der DDR und sehen darin eine gezielte Militarisierung des Bildungssystems. Die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) und andere Organisationen haben Klagen gegen dieses Gesetz eingereicht, da sie es als unvereinbar mit demokratischen Bildungsstandards betrachten.
Die Veranstaltung beleuchtete auch die breitere gesellschaftliche Militarisierung. Die Sprache hat sich zunehmend militarisiert, mit Begriffen wie „Kriegstüchtigkeit“, „Heldenmut“ und „Zweifrontenkrieg“, die wieder verstärkt in Medien und Politik verwendet werden. Zudem wird von einer „Heimatfront“ gesprochen, die darauf abzielt, die Bevölkerung mental auf Krieg vorzubereiten. Dazu gehören auch staatliche Appelle zur Vorratshaltung von Lebensmitteln, Pläne für Nato-Transporte durch Deutschland und Überlegungen zur Nutzung von Kellern als Schutzräume.
Ein weiterer Schwerpunkt war die umfassende Werbestrategie der Bundeswehr, die jährlich 35 Millionen Euro kostet. Mit Plakaten, Kino-Spots und Präsenz auf Berufsorientierungsmessen wirbt sie gezielt um junge Menschen, oft mit Versprechen wie kostenlosen Führerscheinen, Abenteuern und Karrieremöglichkeiten. Kritiker betonen, dass dies vor allem Jugendliche aus weniger privilegierten sozialen Schichten anspricht, die solche Angebote als Chance sehen. Diese Strategie sei besonders problematisch, da sie soziale Ungleichheiten verstärke und junge Menschen einseitig in Richtung Militär lenke.
Gleichzeitig gibt es eine Bewegung gegen diese Entwicklung. LehrerInnen, Gewerkschaften wie die GEW und Friedensorganisationen setzen sich für eine stärkere Friedenserziehung ein. Sie fordern, dass Schulen Schülern die Möglichkeit geben müssen, sich kritisch mit Militarisierung, Krieg und Demokratie auseinanderzusetzen. Die GEW bietet dazu Materialien und pädagogische Unterstützung an. Es wird auch betont, dass die Lehrkräftebildung verstärkt auf solche Themen eingehen sollte, um Pädagogen und Pädagoginnen besser auf den Umgang mit einseitiger Beeinflussung durch die Bundeswehr vorzubereiten.
Einige RednerInnen betonten die historische Rolle der Friedensbewegung in Schulen und äußerten die Hoffnung, dass diese Tradition wiederbelebt wird. Schulen sollten Orte der kritischen Reflexion bleiben und keine Plattformen für einseitige Militärwerbung werden. Die Diskussion endete mit der Warnung, dass die Militarisierung der Gesellschaft weiter zunehmen könnte, wenn keine wirksamen Gegenmaßnahmen ergriffen werden. Dies sei nicht nur eine Herausforderung für Schulen, sondern auch für die gesamte Gesellschaft, die sich entscheiden müsse, ob sie Krieg oder Frieden als Normalität in der Bildung vermittelt.