„Ich träume von einer Schule ohne Fächer, ohne Noten, ohne Stundenraster, wo Kinder von Sonnenaufgang bis Sonnenuntergang lernen können – auch indem sie an einem Auto schrauben, Theater spielen oder im Garten arbeiten.“ Sagt unsere Freundin Martina Seifert, lange Schulleiterin in Duisburg-Rheinhausen, deren Schule nun Gesamtschule ist und mit dem Deutschen Schulpreis geadelt wurde. Träumen ist schön, aber was haben diese Träume mit der Realität zu tun? Da fehlen gerade Lehrkräfte, 40 000, und diese Lücke lässt sich nicht von heute auf Morgen schließen, sondern frühestens in fünf, sechs Jahren. Aber auch nur, wenn es genügend Studienplätze für das Lehramt gibt, wenn Studiengänge auf den Lehrerberuf und nicht auf die Fachwissenschaftlerin zugeschnitten werden, und wenn der Lehrberuf hierzulande so attraktiv wird wie beispielsweise in Finnland.

Studienplätze zu schaffen, die dem gesellschaftlichen Bedarf an Lehrerinnen und Lehrern entsprechen, kann man nicht den Hochschulen überlassen, dazu ist politische Steuerung nötig, ganz Mutige sprechen von Planung.

Die Ausbildung der Lehrkräfte ist ein besonderes Kapitel.   Wenn an die Stelle der bisherigen Fachwissenschaft, plus ein wenig Pädagogik als Ideengeschichte und vielleicht noch ein bisschen Fachdidaktik eine „Bildungswissenschaft“ tritt, die aber, anders als die Bezeichnung suggeriert, gar keinen Begriff von Bildung hat, von den Zielen von Lernen, von Persönlichkeit und deren Entwicklung, dann hilft das auch nicht weiter. Die Trennung von wissenschaftlichem Studium an den Hochschulen und schulpraktischer Ausbildung im Referendariat zementiert die Trennung von Theorie und Praxis – mit fatalen Folgen. Nötig ist die Wiederbelebung der einphasigen Lehrkräfteausbildung.

Wie kann der Lehrerberuf attraktiver werden? A13 für alle, das ist trivial, aber unabdingbar, und zwar sofort. 40 Prozent der Lehrkräfte arbeiten in Teilzeit. Das lässt sich nicht durch mehr Geld ändern – darauf verzichten sie ja, sondern nur durch bessere Arbeitsbedingungen: Entlastung von Verwaltungsarbeiten durch Verwaltungskräfte, bessere Arbeitsorganisation durch Teamarbeit, Berücksichtigung der Arbeit neben dem Unterricht in der Arbeitszeit, Arbeitsplätze, die auf Kooperation und Teamarbeit angelegt sind.

Quer- und Seiteneinsteigerinnen sind oft besser als ihr Ruf: Sie bringen Lebenserfahrung und Handlungswissen mit, sie haben oft schon selbst erfahren, wie man in der realen Welt seinen Platz im Leben finden kann und sind von daher oft gute Vorbilder. Klar – oft fehlt ihnen das pädagogische Handwerkszeug. Studierende kommen an die Schule, um Lücken im Personal zu füllen: Auch das ist sinnvoll, wenn es angeleitet wird – Schülerinnen und Schüler haben etwas davon, mit jungen Menschen zusammenzuarbeiten, und die Studierenden sammeln erste Berufserfahrungen, die sie, wenn es gut organisiert ist, auch im Studium auswerten können. Aber da sind wir schon wieder beim Träumen. Auch wenn das in relativ kurzer Zeit machbar wäre.

Wir schlagen vor, an einem anderen Punkt anzusetzen: Ist es nicht höchste Zeit darüber nachzudenken, wie gelernt wird und wie Schulen organisiert sind? Damit meine ich nicht, was gegenwärtig hoch im Schwange ist, man könnte die Kids doch zuhause vor den Rechner setzen, das wäre doch zeitgemäßes, individualisiertes Lernen, das spart nicht nur Personal, sondern auch Schulräume. Manches lässt sich so vielleicht lernen, Vokabeln, Grammatik, Rechnen, aber sicher nicht Selbstbewusstsein und Handlungsfähigkeit. Man kann auch Fachleute für Vorträge in die Schule holen, die sprechen dann vor 80 Schülern, in der Oberstufe. Wir denken in die umgekehrte Richtung: Mehr miteinander und voneinander lernen. In Gruppen, die gemeinsam Aufgaben lösen, die das vielleicht auch außerhalb der Schule tun, die dafür die Hilfe von Fachleuten in Anspruch nehmen. Da kann eine Lehrerin, eine Assistentin auch mal an einem Vormittag mehreren Gruppen hintereinander helfen, oder vielleicht kommen auch mal Kinder eine ganze Zeit lang aus, ohne dass ihnen dabei jemand über die Schulter guckt.  Warum glauben wir nicht (mehr) daran, dass junge Menschen sich gern Aufgaben stellen, Anstrengungen auf sich nehmen, wenn sie dafür ein Ziel vor Augen haben, nicht nur die Note im Zeugnis? Eine solche Schule, von der Martina träumt, wäre eine Entlastung für Lehrerinnen und Lehrer. Mehr Lehrerinnen fordern, bessere Bezahlung ist eine Sache, die andere: bessere Arbeitsbedingungen und eine andere Auffassung von Schule, in der nicht nur im Stundentakt und in der Jahrgangsklasse gelernt wird. Ich glaube, an der Green-Gesamtschule – wie an vielen anderen Reformprojekten – gibt es dafür schon Beispiele.

Karl-Heinz Heinemann

 

Ein Gedanke zu “Anderes Lernen hilft gegen Lehrkräftemangel!”

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert