Das Startchancenprogramm der Bundesregierung

Kritische Anmerkungen von Martina Zilla Seifert

 

Schon beim ersten Lesen der Eckpunkte fällt auf, dass das Programm im Design an das Programm „Talentschulen“ in NRW erinnert, was ja insofern nicht verwundert, weil beide Programme aus der Feder der FDP stammen. Sie kleben nur notdürftige Pflästerchen auf klaffende Wunden, die die jüngsten Ergebnisse der Pisa-Studie beschreiben. Beide Programm sind entgegen ihres formulierten Anspruchs ungeeignet, für mehr Bildungsgerechtigkeit zu sorgen. So viel vorweg als zusammenfassende Kritik.

Das Startchancenprogramm soll Unterrichts- und Schulentwicklungsprozesse so verbessern, dass Benachteiligungen durch die sozioökonomischen Bedingungen von SchülerInnen aus dem Prekariat minimiert werden. Professionen und Institutionen sollen dabei eng zusammenarbeiten.

Zur Umsetzung sollen Arbeits- und Steuergruppen auf Bundes-, Landes und kommunaler Ebene eingerichtet werden. So entstehen neue Stellen und ein Wust an Bürokratie, obwohl die mit solchen Programmen in der Regel verbundenen bürokratischen Hürden möglichst niedrig gehalten werden sollen, so der eigene Anspruch.

Das Startchancenprogramm weist 3 Säulen aus, die im Zentrum der Förderung stehen sollen

  1. Die Lernumgebung (40 Prozent der Fördermittel)
  2. Die Schul- und Unterrichtsentwicklung (30 Prozent der Fördermittel)
  3. Das Personal zur Stärkung multiprofessioneller Teams (30 Prozent der Fördermittel)

Die Laufzeit des Programms beträgt 10 Jahre – ein klassisches Förderdesign, so wie man es bei Programmen wie z.B. „Vielfalt fördern“ in NRW der Bertelsmannstiftung bereits kennt.

Laufen diese Förderungen aus, dann versickern auch die dort angestoßenen Innovationen.

Der Bund beteiligt sich mit 1 Milliarde Euro jährlich und die Länder müssen kofinanzieren. Eine Unterscheidung von ärmeren und reicheren Ländern gibt es dabei nicht. Das ist insofern schwierig, weil Schulen in Bayern, also die „Lernumgebungen“ ,deutlich anders / besser „aussehen“ als zum Beispiel in der NRW-Kommune Duisburg – ein Vergleich der Schulbauten lohnt hier.

Mit der Durchführung des Programms ist nicht beabsichtigt, Erlasse, Gesetze und Verfügungen mit Blick auf die erwarteten Erkenntnisse durch die das Programm begleitende wissenschaftliche Evaluation entsprechend zu verändern.  Auch bei anderen Programmen wie z.B. „Vielfalt fördern“ in NRW, das immerhin mit 10 Millionen Euro durch die Bertelsmannstiftung finanziert wurde, ergeben sich auf der Erlass- Verfügungs- und Gesetzesebene keinerlei Veränderungen, obwohl dies durch die wissenschaftliche Begleitung  – Fischer und Amrhein – bereits  2014 deutlich gefordert wurde. (Als eine wesentliche Erkenntnis wies das Programm die Notwendigkeit der Teamarbeit aus, als DER Garant für Transformation in Schule. Nichts davon wurde von Seiten der Politik verbindlich umgesetzt.)

Das Startchancenprogramm sieht vor, dass Bund- Länder und Kommunen, Wissenschaft und Zivilgesellschaft eng zusammenarbeiten sollen. Dafür werden Lenkungskreise und Steuergruppen auf Bundes-, Länder und Kommunalebene eingerichtet.  Diese Gruppen sind erst mal gut beschäftigt: sie müssen sich finden, Arbeitsschwerpunkte definieren, Strukturen der Zusammenarbeit, der Steuerung, Beratung und Evaluation entwickeln. Und das wird in jedem Bundesland anders aussehen.  Also viel administrativer Aufwand – sprich: Bürokratie – mit fragwürdigem Ertrag. Nichts Neues also.

Schulen, die teilnehmen, sollen sich untereinander und in den Sozialraum hinein vernetzen. Auch dies ist nicht neu und im Rahmen anderer aufgelegter Programme schon längst erprobt. Diese Netzwerkarbeit ist aber bestenfalls eine Zusatzleistung im Rahmen dieser Sonderprogramme, sie müsste obligatorischer Bestandteil von Schulentwicklung sein und entsprechende gesetzliche Regelungen abgesichert werden.

Die Schulaufsichten sind für die Umsetzung, Überwachung und Evaluation des Programms zuständig. Wie frei können da die Schulen agieren? Allzu oft wird die Schulaufsicht doch als Apparat wahrgenommen, der die Schulen bürokratisch einengt und gängelt. Das es auch bei den Schulaufsichten deutliche Ausnahmen gibt, zeigt, wie unreguliert der Aufsichtsbereich ist. In gewisser Weise kann auch dort jedE hinschauen, eingreifen, wie sie es will.  Was wird man da von ihrer Überwachungsfunktion im Startchancenprogramm von ihnen erwarten können?

Zu den Programmsäulen im Einzelnen:

Säule 1 – Investitionen in die Lernumgebung

„Ziel des Investitionsprogramms sind Beiträge zu modernen, klimagerechten und barrierefreien Lernorten. Angestrebt werden Investitionen in eine hochwertige Ausstattung und moderne Infrastruktur. Es geht nicht darum, ohnehin notwendige Instandsetzungs- oder Sanierungsmaß- nahmen zu finanzieren, sondern um eine echte Attraktivitätssteigerung der StartchancenSchulen.“

Der Investitionsstau in Schulen ist höchst unterschiedlich.  Marode Lernhäuser korrespondieren mit der Armut der Länder und Kommunen, die ja für die Gebäude und die Ausstattung zuständig sind. Es fehlen ganze Schulen, SchülerInnen werden in Containern unterrichtet, es fehlen Mensen und Toiletten, von der Ausstattung der Fachräume ganz abgesehen. In Duisburg gibt es noch nicht einmal für alle SchülerInnen einen Schulplatz. Werden diese eklatanten Mängel  angegangen, was dringend notwendig ist, wäre das Ziel des Startchancenprogramms, mehr  Bildungsgerechtigkeit zu bewirken, noch lange nicht im Blick.

„Die konkrete Ausgestaltung der Fördertatbestände wird in Vorbereitung des Programms mit Erfahrungen aus den Ländern und externer Expertise unterlegt.“ Hier wird sich dann herausstellen, dass vielleicht Fördergelder gar nicht abgerufen werden, weil es diese Expertise in den Kommunen z.T. nicht gibt, in denen z.B. kommunale Verwaltungskräfte fehlen, die den Schulbau und die Ausstattung der Schulen bewirtschaften.

 

Säule 2 – Unterrichts- und Schulentwicklung

Die Schulen, die an dem Programm teilnehmen, müssen mit der Schulaufsicht Vereinbarungen treffen. Dabei weiß man jetzt schon, dass AufsichtsbeamtInnen der Schulen, die von dem Programm profitieren sollen, stark unter Stress stehen. Sie müssen Schulen absichern, die unter immer unwürdigeren Bedingungen arbeiten und gleichzeitig die Einhaltung curricularer Standards überwachen. Dass sie Schulen begleiten, die auch kein Personal mehr finden und der Stress in den Systemen steigt, führt nicht zu einer entspannten und kreativen Arbeitsatmosphäre in den entsprechenden Schulaufsichten. Das Startchancenprogramm sagt hier nichts über Ausgleichsregelungen für diese Leitungsebene.

Im ersten Schritt wird in jedem Bundesland ein Leitfaden erstellt. Diese gibt es auch bei den bisher durchgeführten  Programm so zahlreich, dass man damit alle Wege dieser Erde pflastern könnte. Es macht schon sprachlos, welche Ressourcen hier wissentlich verschleudert werden, denn es kann davon ausgegangen werden, dass eine arme Schule in München ähnliche Probleme hat wie eine arme Schule in Duisburg. (Vielleicht ist das Gebäude ein wenig schöner – eine lernförderliche Architektur ist aber auch bei diesen Schulen eher Fehlanzeige und auch bei Neubauten findet man weiterhin die mehr als 100 Jahre alte Flurschule mit nachvorne ausgerichteten Lernzellen).

Dass das Startchancenprogramm wissenschaftlich begleitet werden soll, ist kein Garant für den Erfolg des Programms, denn die wissenschaftlichen Erkenntnisse werden im Programmdesign gar nicht berücksichtigt– siehe oben.  Wissenschaftliche Begleitungen dienen in der Regel erst einmal dazu,  die in diesem Sektoren nicht so üppig fließenden Drittmittel der LehrstuhlinhaberInnen aufzubessern. Oftmals erfahren Schulen durch eine wissenschaftliche Begleitung keinerlei Unterstützung – vielmehr sind Schulen damit konfrontiert und gestresst, dass in ihnen „geforscht“ wird. WissenschaftlerInnen fluten mit extrem ausgeklügelten und vielfach an der Realität vorbeigehenden Fragebögen, LehrerInnen, Eltern und SchülerInnen, würfeln den Schulalltag durcheinander und erwarten von den Schulen, dass sie die Evaluationen organisatorische sicherstellen (einschließlich des Caterings 😊!) Die Absicherung dieser „Forschungsschleifen“  wird oft als zusätzliche Belastung wahrgenommen! Leider sieht es nicht so aus, dass es bei diesem Programm anders sein sollte.

Säule 3 – Mehr Stellen für multiprofessionelle Teams

Das Startchancenprogramm hat das Ziel, mehr Menschen aus anderen Professionen in Schule zu bringen. Offen bleibt, ob diese Stellen dann nur für die Laufzeit des Programms vorgesehen sind. Die o.g. Internetinformation rühmt sich an dieser Stelle, dass jeweils eine Schulsozialarbeitsstelle o.ä. an den entsprechenden Schulen finanziert werden kann. Eine Stelle für beispielsweise 1200 SchülerInnen und 110 LehrerInnen – in einer großen Gesamtschule –  hinterlässt Ratlosigkeit. Sie werden als Feuerwehr eingesetzt, wenn es im Unterricht gar nicht mehr weitergeht. Wenn die Zusammenarbeit der KollegInnen in den Schulen mit KollegInnen aus den Multiprofessionellen Teams nicht systemisch abgesichert und implementiert ist, dann wird sich keinerlei Transformation in Schule durch diese KollegInnen ergeben. Transformation, veränderte Unterrichts- und Prüfungssettings, Projekt- und Demokratierorientierung, um nur einige Anforderungen an eine veränderte Unterrichts- und Schulentwicklung zu nennen, sind aber das Gebot der Stunde. Davon ist in dem Startchancenprogramm nichts zu lesen und so muss befürchtet werden, dass es nur ein mehr des Schlechten geben wird, was eben in keinem Fall gut sein kann.

Weitere Umsetzungsvoraussetzungen – auf die Schulleitung kommt es an und auf wen noch?

Damit das Programm in der einzelnen Schule erfolgreich ist, sollen die Länder Konzepte entwickeln, wie die Schulleitungen der teilnehmenden Schulen zu qualifizieren sind. Wie kann eine wirksame Qualifizierung aussehen? Da wird es nicht reichen, die Schulleitungen auf die Ziele des Programms einzuschwören, sie brauchen Zeit, um das auch umzusetzen.

Vorgesehen sind jährliche Entwicklungsgespräche der Schulaufsicht mit den Schulleitungen. Wie in 10 Gesprächen über 10 Jahre grundlegende Transformationsprozesse, die die ganze Schule ergreifen sollen, wirksam werden sollen, bleibt ein Rätsel.

„Option zum Abweichen von Rahmenvorgaben (begründetes Abweichen von curricularen Richtlinien und schulrechtlichen Vorgaben bei Aufrechterhaltung und kontinuierlicher Überprüfung des Output durch die Schulaufsicht“. Offen bleibt, was hier gemeint ist. Die Entschlackung der Curricula ist in der Regel negativ konnotiert (an der Schule wird zu wenig „Stoff“ ventiliert). Werden entsprechende Maßnahmen „nur“ an armen Schulen vereinbart, verlieren diese Schulen bei allen am schulischen Leben Beteiligten an Akzeptanz. Anders wäre es, wenn es eine gesellschaftliche Übereinkunft für alle Schulen des Landes gäbe, dass die Curricula von unsinnigen Inhalten entrümpelt werden müssen und  mehr exemplarisches, projektorientiertes und fächerverbindendes Lernen verbindlich zu implementieren sind. Die Unterschrift unter die BNE – Ziele der Unesco, die alle Bundesländer gezeichnet haben, würden solche Interventionen nahelegen. Diese Anforderungen wie auch andere kommen in den Schulen on TOP an bei gleichzeitigem unangetasteten Fortbestehen der „alten“ Curricula. Offen bleibt in diesem Kontext auch, wie weit die Schulen des Startchancenprogramms von curricularen Festlegungen abweichen dürfen und wer am Ende darüber entscheidet. Allein Mitbestimmungsprozesse in den Schulen zwischen SchülerInnen, KollegInnen und Eltern zu organisieren ist ein Kraft- und Überzeugungsakt.

Das Startchancenprogramm betont die Notwendigkeit, dass sich Schulen als Stadtteilschulen entwickeln und in den Sozialraum orientieren sollen. Hiermit wird das Ziel der Teilhabe verbunden, die es den SchülerInnen ermöglichen soll, an kulturellen Projekten partizipieren zu können. Was passiert dann in den Kommunen, die die Teilhabe z.B. durch die Unterstützung bei der Beantragung von BUT (Bildung und Teilhabe) nicht sicherstellen können (stark unterschiedlich komplexe Antragsverfahren, wenige Stellen in den Genehmigungsbehörden, geringes kommunales kulturelles und sportliches Angebot, wenige Einrichtungen der Jugendhilfe..)? Auch die projektierte Kindergrundsicherung wird an diesen Stellen zu gering ausfallen.

Die Abgrenzung zu den bestehenden oder in der Vergangenheit durchgeführten Programmen mit ähnlicher Ausrichtung muss gewährleistet werden. Die Erfahrung zeigt aber, dass aufgrund der jeweiligen Spezifika der Programme, alle irgendwie vor sich hinarbeiten – es fehlt der verbindliche Übertrag auf Schulen – siehe auch weiter oben.

Zusammenfassende Kritik:

  • Mit dem Programm wird ein erhebliches Maß an bürokratischen Strukturen entstehen.
  • Es werden keine inhaltlichen Gelingensbedingungen für die Schulen formuliert: Implementierung von verbindlichen Teamstrukturen, kollaborativer Unterricht, Projektunterricht …
  • Der Ausgleich zwischen armen und reichen Ländern/Kommunen wird nicht geregelt. Die Identifizierung der Schulen ist unklar, denn nicht alle Länder verfügen z.B. über vergleichbare Solzialindizes
  • Es besteht keine Absicht, Erkenntnisse aus dem Programm in Erlassen, Verfügungen und Gesetzen zu rekontextualisieren
  • Befunde, wie erfolgreiches Lernen in Schulen organisiert werden muss, werden nicht thematisiert. Vielmehr wird eine Stunde 0 definiert – eine fundamentale Fehleinschätzung dessen, was schon alles in Schulen an Veränderungspotenzial vorhanden ist – siehe auch hier die PreisträgerInnenschulen des Deutschen Schulpreises. Vor allem Schulen, die sozioökonomisch benachteiligt sind (Zielgruppe des Programms)sind, finden sich vielfach unter den PreisträgerInnen und sind vor allem deshalb erfolgreich weil sie möglichst viel Gestaltungsraum und flache Hierarchien ausweisen. Sie bewegen sich weg von der Engführung der Curricula hin zu projektorientiertem Lernen. Die Kollaboration auf der Ebene der SchülerInnen und LehrerInnen stehen im Fokus und die Zivilgesellschaft und der Sozialraum, in denen die Schule liegt, wird einbezogen. Hier hätte man also die Blaupause für zum Teil wissenschaftlich untermauerte Schulkonzepte, deren Erfahrungen nur noch in Erlasse, Verfügungen und Gesetze gegossen werden müssten und müsste nicht nach Singapur, Japan und früher Finnland schauen.
  • Kritisch ist auch anzumerken, dass die Kompetenzorientierung als Zentrum des Unterrichts nicht in Frage gestellt wird. Der Fokus liegt auf der Erweiterung Kognitiver Kompetenzen. Zukunftsperspektiven für die teilnehmenden SchülerInnen sollen über die Stärkung der Kompetenzen Lesen, Schreiben, Mathematik erreicht werden. Das ist eine mehr als fragwürdige Verengung der Zukunftskompetenzen, die durch Schule eigentlich erlangt werden müssen – siehe hierzu Bildung für nachhaltige Entwicklung – BNE. Es werden keine zukunftsorientierte, nachhaltigen Ziele (siehe z.B. BNE-Ziele) ausgewiesen und dem Programm geht es schon gar nicht um Demokratielernen und somit nicht um den Bau einer Schule für die Zukunft.
  • Die Schulen sollen einen Schwerpunkt auf die Diagnositk legen. Eine Diagnose ist allerdings vollständig überflüssig, ja geradezu kontraproduktiv, wenn die daraufhin notwendigen Interventionen ausbleiben. Außerdem beschreibt das Programm hier nichts Neues: alle Schulen sind gehalten, so zu arbeiten: Bestandsaufnahme, Zielfindung, Durchführung, Implementierung von Maßnahmen und Evaluation – wo wie und mit wem das in dem Startchancenprogramm auf der Ebene der einzelnen Schule stattfinden soll, ist nicht geklärt – hier fehlt es an Strukturen (Teamstrukturen, Arbeitsplätzen und klaren Arbeitszeitmodellen) in den Schulen. LehrerInnen werden immer noch anhand der Stunden bezahlt, die sie geben. Das ist antiquiert und verhindert Transformationsprozesse.
  • Lehrkräfte werden auf Kollaboration (professionelle Lerngemeinschaften) verpflichtet. Dies wäre im Übrigen für alle Schulen wünschenswert. Die Ausgestaltung bleibt unklar.
  • Dass der Schwerpunkt auf die Grundschulen gelegt werden soll, ist sicherlich sinnvoll. Allerdings müsste dringend die frühkindliche Bildung als entscheidender Teil des Bildungssystems einbezogen werden. Die Anforderung an die KollegInnen der Grundschulen sich in Multiprofessionellen Teams zu bewegen, appelliert an die Bereitschaft der vielfach weiblichen Belegschaft, sich „ehrenamtlich“ zu engagieren, denn in den Grundschulen haben die LehrerInnen strukturell abgesichert die geringsten Möglichkeiten zur Kollaboration – an diesen Schulen gibt es die wenigsten Entlastungsstunden – professionelle Lerngemeinschaften sind dort on TOP. Das Programm macht dazu keine Angaben.
  • Das Land wählt aus die Schulen aus – wie das geschieht ist unklar. Bisher zeigen solche Programme, dass die Schulen vielfach überfordert sind, überhaupt die entsprechenden Anträge zu stellen. Es wird spannend sein, wie das Antragsverfahren aussieht. Die Kriterien für die Bewilligung sind mehr als unscharf.
  • In NRW müssen alle Bezirksregierungen bei der Vergabe einbezogen werden. Die jeweiligen Sozialindizes der Länder sollen genutzt werden – die sind aber derzeit in NRW immer noch in der Diskussion, weil wenig trennscharf uns somit teilweise ungerecht und wenig aussagekräftig. Hier sind auch wieder zusätzliche Absprachen innerhalb der Länderadministration nötig. In NRW ist das Ruhrgebiert sicherlich anders zu bewerten als das Münsterland. Wie den hiermit zu erwartenden Konkurrenzen begegnet werden sollen, ist unklar.
  • Schwierig ist die Verknüpfung von soziökonomischer Benachteiligung und Ausbildungs- und Berufsreife – es geht also nicht um eine universitäre Bildung – die Verbindung hierzu fehlt vollständig.
  • Die Ausgestaltung der Interventionen der einzelnen Schule wird wie in den letzten Jahrzehnten weiter individualisiert. Den Schulen, die in die Konkurrenz getrieben werden, hilft das Programm für ihre Akzeptanz und z.B. die sozioökonomische Durchmischung wenig, weil mit der Teilnahme an dem Programm leider auch eine Stigmatisierung einhergeht.
  • Das Programm legt die Einschätzung nahe, dass ein Mehr des Alten, Schlechten intendiert ist – alter Wein in neuen Schläuchen eben. Es wäre an der Zeit, eine Stunde 0 für das gesamte Bildungssystem zu beschließen und sowohl wissenschaftliche Erkenntnisse als auch Forderungen der Zivilgesellschaft (Bildungswende-jetzt, Bildungsrat von unten, BürgerInnenrat der Montagsstiftungen…) zur Kenntnis zu nehmen.

 

Martina Zilla Seifert kämpft schon lange auf vielfältige Weise für ein anderes, gerechteres Bildungssystem, aktuell zum Beispiel im Bündnis für eine #BildungswendeJetzt. Als langjährige Schulleiterin hat sie 2021 mit dem Team und der Schüler:innenschaft der Green-Gesamtschule in Duisburg den Deutschen Schulpreis gewonnen. 

 

 

 

 

 

 

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