Ein wenig bin ich erschrocken über das Urteil zur Gesellschaft für Bildung und Wissen, die sich in der Tat sehr heterogen zusammensetzt. Allerdings befinden sich in dieser Organisation auch Positionen einer mittlerweile an den Rand gedrängten Kritischen Pädagogik, aus denen wichtige Impulse für eine gegenhegemonial orientierte Bildungspolitik kommen könnten. Außerdem kam aus dem Gründungskreis der GBW im Übrigen eine der wenigen nennenswerten, wenn auch nicht durchschlagskräftigen Initiativen gegen die wirtschaftlichen Übergriffe auf die Hochschulen, während die Linke sich gegenüber dem (verheerenden) ‚Bologna-Prozess‘ weitgehend indifferent verhielt. Die GBW in ihren „schul- und hochschulpolitischen Konkretisierungen“ pauschal in die Ecke einer rückwärtsgewandten, auf Elitebildung angelegten Organisation zu rücken, halte ich für kontraproduktiv.
Viel beunruhigender finde ich es dagegen, wenn im Rahmen einer GK-Tagung (wie im November geschehen) neben explizit linksorientierten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern auch Expertinnen und Experten eingeladen werden, die sich an Studien und Projekten der Bertelsmann Stiftung maßgeblich beteiligen. Aus den inzwischen vielfältigen Untersuchungen zur Bertelsmann Stiftung wissen wir doch zur Genüge, welche Funktion ihr im Rahmen einer neoliberalen Gesellschafts- und Bildungspolitik zukommt. Jede Vermischung mit den Aktivitäten dieser Organisation diskreditiert die Versuche, eine wirkliche Alternative in der Bildungspolitik zu entwickeln, denn diese setzt eine resolute Abgrenzung und Distanzierung von dem „bildungsindustriellen Komplex“ (Münch) voraus, den zu bekämpfen wir doch vorgeben. Wie aber soll glaubhaft über ‚linke‘ Bildungspolitik debattiert werden, wenn wir meinen, auf die Expertise von Bertelsmännern zurückgreifen zu müssen? Ich hielt es bislang für eine Selbstverständlichkeit, dass das Engagement für die Bertelsmann Stiftung und die Beteiligung an ihren perfiden Projekten prinzipiell unvereinbar ist mit jedem gesellschaftskritischen Ansatz einer Bildungspolitik, der Alternativen zu gegenwärtigen Bildungsplanungen aufzeigen will. Sollte sich an dieser Einschätzung im Umkreis der Linkspartei und der Rosa Luxemburg-Stiftung etwas geändert haben?
Zum Vorschlag eines ‚linken‘ Bildungsbegriffs: Selbstverständlich ist Dein Vorschlag der Erarbeitung eines Bildungsbegriffs sehr sinnvoll, kann es aber einen ‚linken‘ Bildungsbegriff geben in Analogie zum „grün-alternativen“ Bildungsbegriff, wie ihn Preuss-Lausitz Ende der 1980er Jahre formuliert hat? Wodurch sollte dieses ‚links‘ bestimmt sein, ein Wort, das mittlerweile zu einem völlig inhaltsleeren Etikett verkommen ist? Und bedeutet dieses Adjektiv nicht die unzulässige Einschränkung des Begriffs der Bildung? Müssten wir nicht an der Entwicklung eines kritischen Bildungsverständnisses arbeiten, das die Erkenntnisse kritisch-emanzipatorischer Bildungstheorien mit ihrem utopischen Überschuss ebenso einbezieht wie die gegenwärtigen gesellschaftlichen Entwicklungstendenzen, aus denen allein aber keine Ziele der Bildung abgeleitet werden können? Vorschläge zu einem solchen kritischen Bildungsverständnis gibt es doch bereits – auch und gerade im Umfeld der Rosa-Luxemburg-Stiftung! Warum sollten sie nicht als Kriterien für eine emanzipatorisch orientierte Bildungspolitik aufgegriffen und ‚ausgewertet‘ werden? Sie wären die Grundlage für eine eigenständige Bildungspolitik der Linken, die momentan noch all zu oft affirmativ auf fahrende Züge neoliberaler ‚Bildungs‘planungen aufspringt.
Diese Punkte möchte ich zu bedenken geben, da sie m. E. für einen Gesprächskreis mit der gewünschtenOrientierung grundlegend sind.