Demokratiebildung als Aufgabe von Schule und Lehrer*innenbildung
Dienstag, 10. Dezember 2019
16.30 Uhr«Demokrat*innen fallen nicht vom Himmel!»
Universität Potsdam
Neues Palais

Am 10. Dezember veranstaltete der Gesprächskreis im Neuen Palais in Potsdam zusammen mit dem Zentrum für Lehrerbildung der dortigen Universität und der Rosa-Luxemburg-Stiftung Brandenburg eine Tagung mit dem Titel „Demokrat*innen fallen nicht vom Himmel“. Zu Beginn wurde ein Filmausschnitt über die Marktschule in Bremerhaven gezeigt. Demokratie, so hier das Credo, muss gelebt werden, um gelernt zu werden. Wie die Schüler und Schülerinnen ihren Schulalltag auf demokratische Weise mitgestalten, kann man hier nochmal nachsehen.

Foto: Bürgelt

Im Anschluss wies Wilfried Schubarth, Professor für Erziehungs-  und Sozialisationstheorie in Potsdam,  auf die vielfältigen Schwierigkeiten hin, die Demokratiebildung mit sich bringt: Versteht man sie als Teil des Politikunterrichts? Ist sie fächerübergreifend unter Wertebildung zu fassen? Oder sollte Demokratie, wie an der Marktschule, über Schüler*innenpartizipation als Lebensform gelernt werden? Schubarth kritisierte zudem, dass Demokratiebildung weder Teil des Selbstverständnisses angehender Lehrer*innen, noch in der Lehrer*innenbildung verankert sei. Als Ausblick verwies er auf gelungene Projekte, wie beispielsweise das Projekt Kreidestaub. Hier den Vortrag als PDF runterladen!

Uwe Bittlingmeyer und Jürgen Gerdes, Lehrende an der PH Freiburg,  warfen zunächst den Blick auf die Makroebene und präsentierte Statistiken die belegen: Soziale und gesundheitliche Probleme sind vor allem da besonders groß, wo auch die Ungleichheit besonders groß ist. Das sei, das müsse man sich bei der Entwicklung von Lösungsansätzen immer wieder klar machen, eben funktionierender Kapitalismus. Menschen, die durch soziale Ungleichheit belastet sind, sehen sich auch von der politischen Willensbildung ausgeschlossen und beteiligen sich zunehmend weniger. Die Zustimmung zur Demokratie nimmt unter jungen Menschen erschreckend ab. „Demokratiebildung“ sei daher nicht nur eine pädagogische, sondern eine soziale und politische Herausforderung.

Gerdes und Bittlingmayer verwiesen auf die Menschenrechte als Schlüsselbegriff. Demokratiebildung als Menschenrechtsbildung sei grundlegender, als auf der (nationalen) Ebene der Bürgerrechte zu verbleiben.

Hier klicken, um den Vortrag herunterzuladen.

Beide Inputs unterstrichen, dass Demokratiebildung kein eigens Schulfach sein sollte, sondern Teil der Schulkultur: demokratischer Willensbildung in der Schule und die Beteiligung der Schulgemeinde an der Öffentlichkeit.

Ilka Hoffmann, Jürgen Gerdes, Christine Biermann und Uwe Bittlingmayer auf der Podiumsdiskussion (v.l.n.r.) [Foto: Bürgelt]

In der Diskussion macht die ehemalige Didaktische Leiterin der Laborschule Bielefeld, Christine Biermann, auf Noten als immer noch zentrales Selektionsinstrument aufmerksam, die auch für Demokratiebildung ein Hindernis darstellen. Uwe Bittlingmayer betonte, dass Partizipation in der Schule nur dann wirklich zu Demokratiebildung beitrage, wenn die Schüler*innen auch eine realistische Chance auf das Ergebnis hätten. Immer wieder fiel das Stichwort Selbstwirksamkeitserfahrung als zentraler Bestandteil erfolgreicher Demokratiebildung. Ilka Hoffmann von der GEW betonte, dabei Schüler*innen mit besonderem Förderungsbedarf nicht aus dem Blick zu verlieren. Gerade benachteiligte Kinder müssten die Möglichkeit haben, ihre Rechte innerhalb einer Demokratie auch wahrzunehmen. Aus dem Publikum kam von einer Studentin die Anmerkung, auch die Lehramtsstudierenden müssten dabei stärker in den Blick genommen werden: Häufig kommen sie aus akademischen Mittelschichtsfamilien, die ihre eigenen Privilegien im Studium kaum reflektieren müssen. Insgesamt war die Diskussion lebhaft und der Austausch zwischen Wissenschaftler*innen, Studierenden und Menschen aus der Praxis hat gut funktioniert. Positiv bemerkt wurde auch, dass der Diskussion auch ein entsprechend langer Zeitraum gewährt wurde.

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