Was sich nach Corona dringend ändern muss

 

Am 28.11.20 hat der Gesprächskreis Bildungspolitik eine Online-Veranstaltung zum Thema „Was sich nach Corona dringend ändern muss“ angeboten. Es gab interessante Input-Vorträge und eine rege Diskussion. Worum es ging, könnt ihr hier nachlesen.

Susanne Gölitzer liefert den ersten Input für die Veranstaltung. Sie leitet eine integrierte staatliche Gesamtschule mit reformpädagogischem Konzept in Frankfurt (Main) und ist als Autorin und Wissenschaftlerin tätig., Zum Zeitpunkt der Schulschließungen fehlte die nötige digitale Infrastruktur. In den ersten Wochen kamen die Schüler*innen tatsächlich immer wieder zur Schule, um dort Sachen abzuholen. Der Bedarf der Lehrkräfte, sich in Teams auszutauschen, war sehr hoch. Ihre Vorschläge: Die Räume sollten neu gestaltet werden, der Unterricht multimedialer werden, und wieso schaffen wir Noten nicht gleich ganz ab? In der Schule herrschte Frühjahrsputz-Stimmung. Den Schüler*innen wurden anfangs vor allem handlungsorientierte Aufgaben gegeben, zum Beispiel Filme zusammenschneiden, Plakate basteln oder andere kreative Aufgaben. Selbst wenn es sich bei einigen offensichtlich um Ko-Produktionen mit den Eltern handelte: Für die Schüler*innen waren das wichtige Erfahrungen. Einige Schüler*innen tauchten leider komplett ab.

Kurz vor den Sommerferien meldeten sich dann  einige Eltern, die sich Sorgen um den verpassten Schulstoff machten. Doch die Schüler*innen hatten eher Gesprächsbedarf in Bezug auf die aktuelle Situation, als sich Sorgen um verpassten Stoff zu machen. Nicht nur in der Familie, sondern auch in der Schule als gesellschaftlich relevantem Ort wollten sie über Corona und die Folgen sprechen.

Individualisierter, aber gemeinsamer zugleich

Die Schere zwischen denen, die über viel kulturelles Kapital verfügen, und denen, die diese Bedingungen zuhause nicht vorfinden, ist über Corona noch größer geworden. In der Forschung sei bereits recht gut dargelegt, dass die Schule als Institution für die bürgerliche Mitte funktioniert, so Gölitzer. Es gebe aber zu viele Kinder, die das Bildungssystem verlieren würde, und das auch in einer reformpädagogischen Schule wie ihrer. Schule müsse individualisierter, aber gemeinsamer zugleich sein. Man müsse von dem Stoff-Begriff weg hin zu einer Problematisierung von Inhalten. Beispiel Rechtschreibung: Nur, wenn ich die Rechtschreibung beherrsche, habe ich die Freiheit zu entscheiden, ob ich sie auch anwenden will. Die Entwicklung der Kinder gerade in der Pubertät müsse durch einen anderen Betreuungsschlüssel sichergestellt werden. Dazu gehöre, dass in der Schule Erwachsene arbeiten, die politische Bildung immer wieder mitdenken: Für was ist das gut, und warum brauchen wir das? In welchem Zusammenhang steht das, was wir hier lernen? Dafür braucht es variable Räume und Gebäude. Ein durchschnittlicher Klassenraum ist langweilig, kahl und abstoßend. Schule muss zu einem Ort werden, an dem sich Kinder gerne aufhalten.

Freude am Lernen lässt sich nur wecken, wenn man unterschiedliche Angebote macht und allen Kindern gerecht wird. Schule muss viel individualisierter stattfinden, ohne dabei die Gemeinschaft aus dem Blick zu verlieren. Dabei geht es nicht um immer mehr Bildung, sondern mehr Qualität in schulischer Bildung. Dafür muss die Politik die Rahmenbedingungen setzen: Lehrerarbeitszeit neu berechnen, nämlich nicht nur nach Unterrichtsstunden, Schulgebäude sanieren, die Abschlussorientierung aufgeben. Die Frage ist: Wie kann man aus der Schule einen offenen Lernraum machen? Der ganze Input von Susanne Gölitzer ist hier nachzulesen.

Schulstrukturdebatte politisch nicht gewünscht

Martina Seifert, Schulleiterin in Duisburg-Rheinhausen, berichtet von den prekären Verhältnissen an ihrer Schule. Circa 70% der Schüler*innen kommen aus ärmeren Familien. Wissensbasierte Aufgaben werden eher im häuslichen Bereich begleitet, andere Formate in der Schule versucht umzusetzen. Die FDP-Ministerin Gebauer setze jedoch alles daran, dass in der Schule alles so bleibt wie bisher, kritisiert sie. Es könne nicht sein, dass wieder einmal die Schulen, die ohnehin schon an allen Fronten zu kämpfen haben, mit der Umsetzung der Regeln so allein gelassen werden. Die Schulstrukturdebatte zu eröffnen, konstatiert Seifert, sei nicht politisch gewünscht.

Caro Butterwegge, Dozentin an der Uni Köln und Politikerin bei der Linken, fragt, ob die Gelder, die für eine bessere Ausstattung der Schüler*innen zur Verfügung gestellt wurden, wirklich an den Schulen ankommen und verweist auf die oft schwierige personale Situation.

Gunhild Böth, Lehrerin und Bildungspolitikerin, pflichtet Butterwegge bei. Es gibt viele gute Ideen, aber davon kommt in den Schulen wenig an, solange Schule vor allem über die Prüfungen definiert wird. Seit es in NRW zentrale Prüfungen gibt, steht der Stoff wieder viel stärker im Vordergrund als die Art und Weise, wie er vermittelt und gelernt wird. Noten und Prüfungen sind allerdings nicht das Ziel von Schule, sondern Bildung. Die Lerngruppen müssen kleiner werden. Aber es kann nicht die Lösung sein, die eine Hälfte dann einfach nachhause zu schicken. Also brauchen die Schulen zusätzliche Räume. Die Kommunen müssen kreativ darangehen, zusätzliche Räume zu beschaffen, gerade wo so viele Kultureinrichtungen, Museen, Theater und Kneipen geschlossen sind. Um mehr Personal für die Bildung kleinerer Gruppen zu gewinnen schlägt Böth vor, Menschen aus dem sozialen und kreativen Bereich anzuwerben, die ihren Berufen unter Corona-Bedingungen häufig nicht nachgehen können und den Unterricht ergänzen und abwechslungsreicher gestalten könnten. Es gehe nicht darum, Corona zu organisieren, sondern Unterricht und Bildung unter Corona zu organisieren! Die Rückkehr zum Frontalunterricht als Folge von Digitalisierung kritisiert Böth. Der Leistungsdruck könne nur abgebaut werden, wenn Noten endlich abgeschafft werden. Nicht messen und bewerten macht Schule aus, sondern Bildung. Für die Linke hat Böth ihre Forderungen ausgearbeitet.

Erhard Schoppengerd, ebenfalls Schulleiter in Duisburg, fordert, dass endlich definiert wird, was wir eigentlich meinen, wenn wir von Bildung sprechen. Die Erfahrungen an prekären Schulen müssten ernst genommen werden. In Ausnahmesituationen wäre es möglich, sich Räume zu organisieren, aber allein in Duisburg fehlen 4000 Räume. Da seien langfristige Konzepte gefragt. Schoppengerd möchte pädagogische Freiheit, aber Schule sollte nicht mit Organisationsfragen betraut werden.

Bildung statt Noten

Anne Ratzki, eine langjährige Aktivistin der Gesamtschulbewegung, die lange als Lehrerin und Schulleiterin aktiv war und heute für das Institut für Teamarbeit und Schulentwicklung arbeitet, berichtet über ihre Erfahrungen bei der Betreuung einer syrischen Familie. Es sei sehr schwer gewesen, über WhatsApp Schulstoff mit den Kindern zu bearbeiten. Bis heute haben die Kinder in der Kölner Gesamtschule Holweide keine Geräte bekommen, stattdessen wurden über privates Engagement nur für einige Kinder alte Laptops besorgt. Als es in den 70ern mal ein Formaldehyd Problem gab, sei es möglich gewesen, auf alternative Räume auszuweichen. Das sollte auch jetzt versucht werden. Primärer Fokus in den Schulen bleibt aber: Das ist prüfungsrelevant, das muss gemacht werden. Die Abschlussbedingungen setzen den Rahmen, während pädagogische Fragen zurücktreten. Es geht aber um Bildung und nicht um Noten. Das ist untrennbar verbunden mit der Schulstrukturdebatte, so Ratzki.

Susanne Gölitzer pflichtet ihr bei. Man sollte den Weg öffnen, um auch andere Menschen an die Schulen zu holen, zum Beispiel einen Förster, der den Schüler*innen beim Werkunterricht hilft. Schule muss die Freiheit haben, die Möglichkeiten auf ihre Schüler*innenschaft individuell zuzuschneiden. Darüber könnten jedoch nur die Schulen selbst entscheiden, die die Situation vor Ort kennen, und nicht die Kultusministerien.

Annette Sudek, die mit der ministerialen Seite von Schule vertraut ist, betont, es gehe nicht nur um Methoden und Inhalte. Die Bildungspolitik müsse an die Schulstruktur, aber auch an die Schulaufsichtsbehörden ran. Das Lehrer*innenbild sei oft noch zu sehr am Einzelkämpfertum orientiert. Das wird nicht zuletzt an der Definition der Lehrerinnenarbeitszeit nach Unterrichtsstunden deutlich. Das fällt dann häufig auf die Lehrer*innen zurück, doch das Problem sind nicht die einzelnen Lehrkräfte, sondern die Strukturen.

Utopie der einen Schule für alle

Ilka Hoffmann, Mitglied des Geschäftsführenden Vorstands der GEW für den Organisationsbereich Schule und Sprecherin des Bündnisses „Eine Schule für alle“, prangert an: Bildung wird vom Abitur aus gedacht. Die Noten sind dabei Teil der Schulstruktur, denn darüber funktioniert die Selektion. Seit den 60er Jahren ist klar: Noten sind keine Leistungsrückmeldung, sondern die Zuweisung eines Ranking innerhalb von einer Lerngruppe. Der Sinn ist und war immer schon die Ausstellung von Berechtigungsscheinen, ein Punkt, an dem vieles scheitert. Vor 10 Jahren hat sie an einer integrierten Gesamtschule versucht, von den Noten wegzukommen, doch sie ist damals daran gescheitert. Der Anspruch der Inklusion ist für Hoffmann nicht vereinbar mit hierarchisch gegliederten Schulformen. Natürlich brauchen Schulen mehr Geld und mehr Personal, aber das wird das grundsätzliche Problem der Chancenungleichheit nicht lösen. Zwischenschritte seien ein veränderter Unterricht, der die Kooperation zwischen Lehrkräften stärkt, ein Weg von der schulformenbezogenen Lehrkräfteausbildung, und und und, aber das Ziel und die Utopie ist die eine Schule für alle. Ein großes Hindernis ist dabei die Angst einer maßgeblichen Schicht dieser Bevölkerung, ihre Exklusivität aufzugeben. Ilka Hoffmanns Beitrag kann man über diesen Link in Gänze lesen.

Karl-Heinz Heinemann, Bildungsjournalist aus Köln und Koordinator des Gesprächskreises Bildungspolitik, stellt die Frage nach der Schulautonomie, die eng mit der Freiheit der Schulen verknüpft ist. Wie steht die GEW dazu, anderes Personal als ausgebildete Lehrer*innen in die Schulen zu holen? Ilka Hoffmann betont, man müsse Multiprofessionalität so organisieren, dass es ein Ganzes ergibt. An den Schulen sei man da schon recht weit, aber die Entscheider*innen hängen hinterher. Schulautonomie werde oft als neoliberales New Management Modell hingestellt. Schulen melden aber zurück, dass sie diese Flexibilität brauchen. Auch die Lehrerarbeitszeit steht auf der Prioritätenliste weit oben: und muss neu definiert werden. Was wird als Aufgabe von Lehrkräften angesehen? Häufig sei das, was erwartet wird, nicht in einer Woche zu leisten. Lehrkräfte definieren sich schon lange nicht mehr nur über ihre Unterrichtszeit.

Lehrer*innenbildung neu ausrichten

Erhard Schoppengerd stellt heraus: Die zentrale Forderung muss die der einen Schule für alle sein. Es gebe leider gesellschaftliche Gruppen, die kein Interesse daran haben, Schule zu verändern. Zur Schulautonomie sagt der Schulleiter: Ja, die ist sinnvoll. Nur: Wenn die eine Schule ein Ruderboot ist, aber die andere ein Motorboot, bringt ihnen Autonomie wenig. Auf der materiellen Ebene muss Gleichbehandlung da sein, um Autonomie zu gewährleisten. Das aber bedeutet, dass Ungleiches von der Politik auch ungleich behandelt wird und prekäre Schulen besonders stark gefördert werden.

Martina Seifert pflichtet ihm bei. Alle Kinder bräuchten gute Schulen. Es sei doch bekannt, wie Lernen funktioniert, und zwar nicht so, wie es im Lehrplan steht. Kinder bräuchten fachübergreifendes Lernen und Schulen, die die Bedürfnisse aller erfüllen können. Dann käme man aber nicht darum herum, bestimmte Schulen stärker auszustatten als andere. Das berühre wiederum Fragen, die nicht vom Kapitalismus zu trennen sind. Seifert sagt, die Grundfragen dieser Gesellschaft könne man nicht allein über die Schulen lösen. Welche Kompetenzen seien da denn aktuell gefragt? Urteilskompetenz nicht so sehr wie wissensbasierte Abfragen. Eine Schule für alle müsste vollkommen anders organisiert werden, doch die Lehrer*innenbildung ist darauf nicht ausgerichtet.

Es wird auch darauf verwiesen, wie Corona die bestehende soziale Ungleichheit noch weiter verschärft. Beispiel Internetverbindung: Viele Kinder und Jugendliche haben kein Internet zuhause und müssen zum Lernen in Einkaufszentren mit kostenlosem W-Lan ausweichen.

Susanne Gölitzer sieht in der Schulstrukturdebatte nicht den richtigen Weg zur Chancengleichheit.  Sie berichtet von negativen Erfahrungen, die sie an einer Gesamtschule gemacht habe. Auch die Schulinspektion in Hessen bestätigt, dass die Gesamtschule nicht außerordentlich gut abschneiden. Wichtiger als die Schulform sei es, dass die Schulen Bildung von guter Qualität anbieten. Erst dann sollte man die Schulstrukturdebatte führen, was es wesentlich leichter machen würde, Eltern zu überzeugen.

Pandemie als Anlass, neu über Schule nachzudenken

Rosi Hein, Sprecherin der Bundesarbeitsgemeinschaft Bildungspolitik der Linken, zitiert Pisa-Koordinator Andreas Schleicher: „Es darf nicht darum gehen, jetzt zurück in die Schulen von gestern zu gehen. Wir müssen in die Schulen von morgen.“ Sie versteht darunter nicht dasselbse wie Schleicher, aber grundsätzlich stimmt, dass man nicht einfach ein Zurück zu den Zuständen vor Corona fordern könne. Die Professionalität frühkindlicher Bildung müsse endlich anerkannt werden, Arbeiten in kleinen Klassen und Lerngruppen ermöglicht werden. Hein verweist bei ausfallendem Präsenzunterricht auf die Notwendigkeit der Ausstattung mit digitalen Endgeräten. Hybride Lernformen sind nötig, um der aktuellen Krise zu begegnen. Es gibt eine ganze Reihe umsetzbarer Maßnahmen, Lösungen würden jedoch nur kurzfristig gedacht werden. Die Grundprobleme des Versagens, nämlich die Reproduktion sozialer Ungleichheit durch das Schulsystem, werden nicht in Betracht gezogen. Die Pandemie ist ein guter Anlass, um über Schule und Bildung neu nachzudenken. Aber die Chance wird bisher vertan. Die grundlegenden Defizite des Bildungssystems werden nicht angegangen. Das sieht man auch daran, dass jetzt das Heil wieder im Wechselunterricht gesucht werden muss. Es werde an alten Zöpfen festgehalten: Noten, Lernen im Gleichschritt, Orientierung an Abschlüssen. Wieso das falsch ist und was man stattdessen tun könnte, kann man hier nachlesen.

Ilka Hoffmann erklärt, Digitalisierung sei nicht das Allheilmittel. Digitalisierung sei stets nur so gut, wie die Pädagogik, die dahinter steht. Ein langweiliges Lernangebot reicht aus, wenn das Gebäude schön ist, die Lehrer*innen einen gewissen Habitus pflegen und die Umgebung vornehmer ist. Ein Gymnasium zu besuchen heißt aber nicht gleich gute Bildung. Bildungspolitik sollte Zwischenschritte beschreiben, aber das Ziel muss sein, die hierarchische Schulstruktur zu überwinden. Das sieht sie offensichtlich anders als Susanne Gölitzer.

Engere Verzahnung von Theorie und Praxis

Lisa Anselm studiert soziale Arbeit und wünscht sich eine bessere Verzahnung von Theorie und Praxis. In der Schulsozialarbeit bemerkt sie eine starke Praxisorientierung bei gleichzeitigem Verzicht auf Theorie. Das Studium muss wissenschaftlicher werden, ohne den Bezug zur Praxis zu verlieren. Lehrer*innen sollten die Zusammenarbeit mit Menschen aus der sozialen Arbeit nicht als Konkurrenz, sondern als Chance sehen, direkter in die Familien der Schüler*innen reinzugehen. Dabei betont Anselm, dass multiprofessionelle Teams auch Betroffene einschließen müssen, die die Situationen der Schüler*innen aus eigener Erfahrung nachvollziehen können.

Eine Lehramtsstudentin fordert die Orientierung an den „Gymnaisaleltern“ endlich aufzugeben. Die Eltern aller Kinder haben ein berechtigtes Interesse daran, dass ihr Kind gute Bildung erwerben kann, und die Priorisierung der ohnehin Priviligierten müsse endlich aufhören. Bildungspolitik sollte diejenigen in den Blick nehmen, die vom Schulsystem am stärksten benachteiligt werden. Die Lehrer*innenbildung müsse dafür kritischer werden. Nur Lehrer*innen, die selbst ein kritisches Verständnis ihres Faches haben und es in gesellschaftliche Zusammenhänge einordnen können, sind in der Lage, ein kritisches Bewusstsein auch an ihre Schüler*innen weiterzugeben. Auf einer bildungspolitischen Ebene sollte man den Frust der Lehrer*innen aufnehmen und die Lehrer*innenarbeitszeit zum Thema machen

Gerd-Ulrich Franz von der GGG stimmt zu. Die Bilder in den Köpfen müssten sich ändern. Die Selbstverständlichkeit, mit der Menschen denken: „Es ist eben so, dass abgeschult wird. Es ist eben so, dass nicht alle mitkommen“ müsse aufhören. Das Abschulungsverbot sieht Franz hier als ersten Schritt. Aber auch den Kompetenzbegriff könne man politisch so wenden, dass alle ihren Fähigkeiten nach zurechtkommen.

Anne Ratzki weist darauf hin, dass die Gesamtschulstiftung das Abschulungsverbot 2021 zum Thema machen will und sieht darin einen wichtigen Schritt zur einen Schule für alle. Wichtig sei auch, auf die Grundschulgutachten zu schauen, denn da werden die Schüler*innen viel zu früh sortiert.

Martina Seifert beklagt die Existenz der Kategorie des sonderpädagogischen Förderbedarfes. Diese gebe es nur in Deutschland und Österreich, was ein Erbe des Faschismus sei.

Annette Sudek knüpft an das Thema der frühen Selektion im Grundschulalter an und fordert, stärker  die Schülerströme zu beobachten. Wer geht an welche Schule und warum? So könne man das Bewusstsein für die soziale Verteilung stärken.

Schule ist Klassenkampf

Rosi Hein stimmt in Bezug auf die Gymnasialeltern zu, diese seien nur leider stimmgewaltig und wirkmächtig. Es gehe außerdem auch um Finanzierbarkeit. Aktuell sei es so, dass der Bund keine Ganztagsschule finanzieren kann, sondern nur Horte. Auch die Schulsozialarbeit müsse, stimmt sie Anselm zu, stärker anerkannt werden. Soziale Arbeit sei keine Freizeitpädagogik, sondern Arbeit.

Susanne Gölitzer findet, man sollte das in den Blick rücken, wovon haben alle Kinder etwas haben. Nur so könne man Bündnisse bilden und gemeinsam eine Vision davon entwickeln, warum eine veränderte Schule die richtige sei. Glückliche Kinder zu haben überzeuge ganz viele Eltern. Deshalb müsse man etwas finden, was alle Gruppen verbindet.

Gunhild Böth fordert, man müsse immanente Kritik üben und die Ziele der Schule mit der Realität abgleichen. Über Schule mache man keine Revolution, aber ohne die Mitarbeit von Lehrkräften, die sich für die Ziele einer solidarischen Gesellschaft einsetzen, auch nicht. Schule ist und bleibt Klassenkampf, so Böth.

Karl-Heinz Heinemann betont zum Abschluss, die eine Schule für alle sei ja keine rein sozialistische Idee. Bereits die Alliierten hätten sie schon nach Ende des zweiten Weltkrieges in Deutschland gefordert, um dem Obrigkeitsdenken der Bevölkerung entgegenzuwirken. Die Schulstrukturdebatte müsse geführt werden, aber auch eine Diskussion um die Inhalte und Methoden.  Das Problem, wie Schule anders werden könne, sei zwar heute nicht gelöst worden, aber viele relevante Punkte genannt worden, die ins Zentrum der bildungspolitischen Debatte gehören würden. Nur darüber zu reden, ob man Klassen jetzt teilen sollte oder nicht, das könne jedenfalls nicht die Lösung sein.

 

 

 

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